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A) Muhammed als Prophet. Die Quellen seiner Lehre.
Können wir gleich nicht leugnen, daß sich auch bei vielen andern Völkern hier und da etwas der Prophetie ähnliches zeigt, so ist doch allein bei den Israeliten1 das Prophetentum aus sehr primitiven Anfängen eine das ganze Gebiet der Religion und des Staats bewegende und bestimmende Macht geworden. Das Wesen des Propheten besteht darin, daß Geist von einer religiösen Idee erfüllt und endlich so ergriffen wird, daß er sich wie von einer göttlichen Macht getrieben sieht jene Idee seinen Mitmenschen als von Gott stammende Wahrheir mitzuteilen. 2 Warum die Prophetie gerade in
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Etwas Ähnliches mögen die altarabischen Kahine gehabt haben von denen wir aber wenig Sicheres wissen. Ich bemerke hier, daß die ubrigen semitischen Sprachen ihr Wort für "Prophet" alle erst aus dem hebräischen abgeleitet haben.
2 Die Prophetie im höchsten Sinne ist demnach eine göttliche Kunst. Sobald man aber anfängt, dieselbe in Schulen zu lehren oder gar zu vererben, und die Propheten sich zunftmässig organisieren, wird die Kunst zum Handwerke erniedrigt. Sehr charakteristisch für das Wesen des echten Propheten ist die Stelle Amos 7,14 f. Ich bin kein Prophet dem Stande nach), noch eines Propheten Sohn, sondern ein
diesem Volke so sehr hervortritt, welchen Einfluss sie wieder auf die Geschichte desselben gehabt, können wir hier nicht weiter untersuchen1. Innerhalb des Judentums ist die prophetische Bewegung zurückgetreten, aber niemals ganz ausgestorben, wie die sog, falschen Messiasse und Propheten der römischen Zeit beweisen. Jesus von Nazareth wollte mehr sein als ein Prophet. Denn er fühlte sich als der von den Propheten Israels verheissene Messias und als der Begründer einer neuen Religion des Herzens und der Gesinnung; ja er wusste seiner Gemeinde die Gewissheit einzuhauchen, daß er als der Sohn Gottes und der Herr der Gläubigen, trotz Martern und Tod, in die Herrlichkeit des Vaters einginge. Auch in den unchristlichen Gemeinden regte der prophetische Geist seine Schwingen musste sich aber nach dem Niedergang des Montanismus in die verstohlensten Winkel obskurer Sekten zurückziehen. Die gewaltigste prophetisch Bewegung, welche die Kirchengeschichte seitdem zu verzeichnen hat, entstand plötzlich und unerwartet an einer der äussersten Peripherien christlicher Missionstätigkeit, und zwar in unmittelbarster Nähe des Zentralheiligtums der heidnischen Araber, der Ka'aba von Mekka. daß Muhammed ein echter Prophet 2 war, muss man zugestehen, wenn man seinen Charakter unbefangen und sorgfältig untersucht und den Begriff der Prophetie richtig fasst. Man wirft vielleicht ein, die Hauptsätze von Muhammeds Lehre seien nicht aus seinem eigenen Geiste entsprungen, sondern stammten von Juden und Christen. Gewiss haben die besten Teile des Islam diesen
Rinderhirt und Maulbeerzüchter; aber Jahve nahm mich von der Herdeweg, und sprach zu mir: "wohlan, rede als Prophet zu meinem Volke Israel!"
1 Vgl. hierüber Ewalds Einleitung zu den Propheten des A.B.
2 So urteilten schon Boulainvilliers, Leben des Muhammed, deutsche Übers. Halle 1786. J. von Hammer-Purgstall, Gemäldesaal der Lebensbeschreibungen grosser moslimischer Herrscher I Darmstadt 1837. T. Carlyle, On heroes, hero-worship and the heroic in history. London 1840, lecture II. A. Sprenger Life of Muhammad. Allahbad 1851. E. Renan, Mahomet et les origines de l'Islamisme . Revue des deux mondes, tom. 12, Paris 1851. Vgl. jetzt C. Snouck Hurgronje, Rev. Hist. Relig. t. 30 p. 48ff.
Ursprung, aber die Art, wie Muhammed sich dieselben geistig, aneignete, und wie er sie als eine von Gott herabgekommene Offenbarung ansah, die er den Menschen predigen müsste, macht ihn zu einem wahren Propheten. Wenn nur ganz neue. unerhörte Ideen für einen solchen passten, würde da nicht der Mehrzahl ja der Gesamtheit aller Gottesmänner und Religionsstifter die Prophetenschaft abzusprechen sein? Wenn Muhammed aber das von Fremden Empfangene in langer Einsamkeit mit sich herumtrug, es auf seine Denkweise wirken und nach dieser wieder sich umformen liess, bis ihn endlich die entschiedene innere Stimme zwang, trotz Gefahr und Spott damit vor seine Landsleute zu treten, um sie zu bekehren. So müssen wir darin den oft bis zum Fanatismus gesteigerten Propheteneifer erkennen. Je genauer man die besten Biographien und die unverfälschte Quelle für die Erkenntnis seines Geistes den Qoran, kennen lernt, desto fester wird man davon überzeugt, daß Muhammed innig an die Wahrheit seines Berufs glaubte, den falschen Götzendienst der Araber1 durch eine höhere, selig machende Religion zu ersetzen. Wie hätte er sonst im Qoran mit solchem Feuer gegen die Lügner predigen können, denen er die schrecklichsten Höllenstrafen verspricht, so daß er erklärt, er würde selbst der göttlichen Strafe verfallen sein, wenn er nicht die ganze Offenbarung verkündete?2 Wie hätten ihm so viele edle und verständige Muslime. vorzüglich seine nächsten Freunde Abu Bekr und Omar in Glück und Unglück mit ausdauernder Treue zur Seite stehen können, wenn er bloss ein Gaukler gewesen wäre? Ganz besonders erhöht den Wert des Zeugnisses vieler Anhänger noch der Umstand, daß sie, Männer aus angesehenen Familien, in allem Geschlechtshochmut des durch und durch aristokratischen Arabers aufgewachsen, aus Begeisterung für
1 Was die Mekkaner so beleidigte, war nicht die neue Lehre an sich, sondern der Angriff auf ihre Ahnen, der darin lag. Sie verehrten die alten Götter ohne eigentlichen Glauben, ihr Kultus war nur als ein von den Vätern überlieferter heilig, wie alle andern Überlieferungen, also eine blosse superstitio.
2 Sur. 5, 71; 6, 15; 10, 16; 39, 15.
den Propheten und seine Lehre sich einer Sekte anschlossen, die grösstenteils aus Sklaven. Freigelassenen und andern Leuten der niedrigsten Klasse bestand, obgleich ihnen dies von ihren Landsleuten zur grössten Schande angerechnet wurde. Dazu kommt noch die Tatsache, welehe freilich die Muslime zu verdecken suchen, daß Muhammed von Natur weich, ja furchtsam war, so daß er zuerst gar nicht wagte, öffentlich aufzutreten; aber die innere Stimme liess ihm keine Ruhe: er musste predigen und musste sich so oft er den Mut hatte sinken lassen, immer wieder emporraffen, trotz der Schmähungen und Beleidigungen von seiten seiner früheren Freunde1.
Aber der Geist Muhammeds ist mit zwei grossen Mängeln behaftet, die seine Hoheit sehr beeinträchtigen. Wenn überhaupt die Prophetie mehr aus der erregten Phantisie und unmittelbaren Eingebungen des Gefühls entspringt, als aus der spekulierenden Vernunft, so fehlte es Muhammed ganz besonders an dieser. Während er eine grosse praktische Klugheit besass, ohne die es ihm nie gelungen wäre, über alle Feinde zu triumphieren, ermangelte er fast gänzlich des logischen Abstraktionsvermögens. Darum hielt er das, was sein Inneres bewegte für etwas ganz äusserlich vom Himmel her Hineingelegtes und prüfte nie seinen Glauben, sondern folate dem Instinkt, der ihn bald hierhin, bald dorthin trieb: denn er hielt ja gerade diesen für Gottes Stimme, die ihm besonders zuteil würde. Daher kommt auch jene äusserliche, buchstäbliche Auffassung der Offenbarung, die dem Islam zugrunde liegt.
Hiermit hängt zusammen, daß Muhammed Suren die er nachweisbar mit bewusster Überlegung und Benutzung fremder Erzählungen anfertigte, ganz wie ersten Erzeugnisse seines
1 Freilich darf man ja nicht allen Nachrichten uber seine vor der Auswanderung erlittenen Verfolgungen glauben. Schwerlich durften seine Feinde je bis zu körperlichen Misshandlungen gehen, denn dann hätte es die Ehre seiner Beschützer und aller Banu Hasim, der gläubigen wie der ungläubigen, gefordert. Rache zu nehmen. Auch die Berichte über Misshandlungen seiner schutzlosen Anhänger sind gewiss vielfach übertrieben.
glühend erregten Gemütes für wirkliche Gottesbotschaften ausgab. Indessen könnte dieser Vorwurf auch den israelitischen Phopheten gemacht werden, welche ihre schriftstellerischen Erzeugnisse als "Worte von Jahve Zebaoth" publizierten. Im allgemeinen aber wird solche Formulierung, hier wie dort, nicht von der bewussten Absicht, zu täuschen, eingegeben sein, sondern von dem naiven Glauben. Die Propheten sind ja nicht nur in der Ekstase Medien der Gottheit, vielmehr kann ihnen ihr ganzes Denken und Tun als unmittelbarer Ausfluss göttlichen Wirkens erscheinen. Trotzdem hat Muhammed, wie wir später noch sehen werden1, weder jede Offenbarung zur Aufnahme in den Qoran bestimmt noch viel weniger seine Aussprüche alle für Offenbarungen ausgegeben.
Da er nicht imstande war Geistliches und Weltliches scharf auseinanderzuhalten, gebrauchte er die Autorität des Qorans oft um Dinge anzuordnen, die nichts mit der Religion zu tun hatten. Man darf aber bei der Beurteilung dieser Tatsache nicht übersehen, daß für seine Zeit Religion und Gesellschaftsordnung noch enge miteinander verbunden waren, und daß das Herabziehen Gottes in die allermenschlichsten Angelegenheiten auf der anderen Seite das Alltagsleben in eine höhere, göttliche Sphäre erhebt.
Ein naiver Denker, wie er war, musste Muhammed alles für erlaubt halten, was der Stimme seines Herzens nicht geradezu widersprach. Und da er nicht den zarten und festen Sinn für das Gute und Böse besass, der allein den welcher auf der Menschheit Höhen wandelt, vor den bedenklichsten Fehltritten bewahren kann, so schreckte er nicht davor zurück, auch verwerfliche Mittel, ja frommen Betrug2 zur Ausbreitung seines Glaubens anzuwenden. Während die muslimischen
1 In dem Kapitel über "die Offenbarungen, welche in unserem Qoran fehle".
2 Mit Recht sagt Sprenger, Life of M. 124f.: "Enthusiasm, in its progress, remains as rarely free from fraud, as fire from smoke; and men with the most sincere conviction of the sacredness of their cause, are most prone to commit pious frauds." Dies gilt nicht bloss vom religiösen Gebiete, sondern auch von politischen und anderen.
Schriftsteller diese Züge gerne verhüllen, sind die europäischen Biographen des Propheten leicht geneigt, aus einer moralischen Entrüstung in die andere zu fallen. Beide Auffassungen sind gleichermassen unhistorisch. Es müsste ja wunderbar zugehen, wenn ein Prophet ohne Fehl and Sünde wäre, und zumal einer, der wie Muhammed daneben noch Feldherr und Staatsmann ist. Kennten wir das Privatleben anderer Propheten so genau wie das seinige, so stünde mancher von ihnen nicht so erhaben da, wie es auf Grund einer fragmentarisch erhaltenen und in vielen Jahrhunderten unzähligemal durchgesiebten Literatur jetzt den Anschein hat. Muhammed war kein Heiliger und wollte keiner sein Heiliger und wollte keiner sein (Sure 47:21; 48, 2 usw). Wir viel aber von dem, was wir an ihm auszusetzen haben, auf die Rechnung des halbbarbarischen Zeitalters seines guten Glaubens oder der Schwäche seines Charakters zu setzen ist, das vermögen wir fast nie mit Sicherheit zu sagen. Die Hauptsache bleibt doch, daß er bis zum letzten Atemzuge für seinen Gott und das Seelenheil seines Volkes, ja der ganzen Menschheit geeifert, und daß er die feste Gewissheit von seiner göttlichen Sendung nie verloren hat.
Die Hauptquelle der Offenbarungen, die nach dem rohen Glauben der Muslime, wie des ganzen Mittelalters und noch gar mancher von unseren Zeitgenossen, den Propheten buchstäblich von Gott eingehaucht werden, bildete ohne Frage das jüdische Schrifttum. Die ganze Lehre Muhammeds trägt schon in den ältesten Suren die unverkennbaren Zeichen ihres Ursprungs an sich; es wäre überaüssig, hier erst auseinanderzusetzen, wie nicht nur die meisten Prophetengeschichten im Qoran, sondern auch viele Lehren und Gesetze jüdischer Herrkunft sind1.
1 Es wäre sehr zu wünschen daß ein gründlicher Kenner des altarabischen Lebens des Islam und der jüdischen Literatur die scharfsinnigen Untersuchungen Abraham Geiger's "Was hat Mohamed aus dem Judentum aufgenommen?" vom Jahre 1833 wider aufnähme. Die arabischen wie die jüdischen Quellen Midrasche fliessen jetzt so unendlich reicher, daß der Neudruck diese Werkes Leipzig 1902 durch nichts zu rechtfertigen ist.
geliums auf den Qoran.1 Eine genauere Untersuchung über das offenbar Jüdische und Christliche in demselben wird zu der Überzengung führen, daß auch solche Hauptsätze, welche dem Islam und dem Christentum gemeinschaftlich sind, jüdisches Colorit haben. So ist z. B. das bekannte Glaubensbekenntnis des Islam von einer jüdischen Formel hergenommen. Denn der Vers II Sam. 22, 32 = Ps. 18, 32 wird im Targum wiedergegeben durch und in Peschittha durch
Darum brauchen aber keineswegs alle jüdischen Stoffe auf Juden als Gewährsmänner zurückzugehen. Zwar waren die Juden in mehreren Gegenden Arabiens, vorzüglich im Gebiete von Yatrib, das mit Muhammeds Vaterstadt in vielfacher Verbindung stand, ausserordentlich zahlreich; auch Mekka muss häufig von ihnen besucht worden sein. Aber das Christentum der orientalischen Sekten hatte überhaupt einen starken jüdischen Einschlag. Und für die Zwecke des Unterrichts und der Erbauung war in der alten Kirche das Neue Testament gegenüber dem Alten immer stark zurückgetreten. Gerade das Christentum hatte aber auf der arabischen Halbinsel eine ansehnliche Verbreitung gefunden2 : unter den Stämmen an der byzantinisch-persischen Grenze (Kelb, Tai, Taunuch, Taghlib, Bekr), weiter im Innern bei den Tamim und in dem lange in politischer Abhängigkeit von dem christlichen Abessinien befindlichen Jemen. Und wo das Christentum nicht Wurzel fasste, war doch irgendweiche Kenntnis von ihm hingedrungen. Ja sogar einige der berühintesten Dichter aus dem Jahrhundert vor dem Islam verraten, obwohl sie Heiden geblieben waren, in ihrer ganzen Denk- und Anschauungsweise Bekanntschaft damit. Wir haben also neben der jüdischen zweifellos auch mit einer christlichen Beeinflussung des Propheten zu rechnen. Bei vielen Materialien
1 Vgl. darüber Nöldeke in der ZDMG. 12. 699ff.
2 Vgl. Julius Wellhausen, Reste arabischen Heidenums, 2 Aufl., Berlin S. 234-242.
muss dahin gestellt bleiben, aus welcher Quelle sie ihm zugeflossen sind. Bei andern ist die christliche Herkunft ausser allem Zweifel, ich rechne dahin die Einrichtung der Vigilien, einige Formen des Gebetsritus, die Bezeichnung der Offenbarung als die sich nur aus dem christlichen Aramäisch (furqan in der Bedeutung "Erlösung", vgl. hierüberdie ausführliche Erörterung S.34 Anm. 1) ableiten lässt die zentrale Bedeutung der Vorstellung vom jüngsten Tage und schliesslich die Superiorität Jesu über alle Propheten. Aus diesem Sachverhalt könnte man sogar folgern, daß der Islam eine wesentlich in den Spuren des Christentums gehende Religionsstiftung ist, m. a. W., daß der Islam die Form ist, in welicher das Christentum in Gesamt-Arabien Eingang gefunden hat. Diese Kombination fände an den Urteilen der Zeitgenossen Muhammeds eine willkommene Bestätigung. Denn seine Anhänger wurden von den Ungläubigen oft "Zabier" genannt, d. h. sie galten als nächstverwandt mit gewissen christlichen Sekten (Mandäern. Elkesaiten. Hemerobaptisten). Andrerseits betrachten sich die Muslime selbst als Nachfolger der Hanife. Das waren Leute, welche, am Heidentum irre geworden, in christlichen und jüdischen Lehren Befriedigung suchten. Da dieser Name aber auch den christlichen Asketen bezeichnet, so liegt darin wiederum ein deutlicher Hinweis, daß die Muslime den Christen besonders nahe standen. Die Flucht einiger Anhänger des Propheten zum christlichen König von Abessinien liesse sich ebenfalls aus dieser Tatsache erklären.
Es kann ferner keinem Zweifel unterliegen daß die hauptsächlichste Quelle, aus der Muhammed seine Kenntnisse zuflossen, weniger die Bibel als das ausserkanonische, liturgische und dogmatische Schrifttum war. Daher gleichen die alttestamentlichen Erzählungen im Qoran weit mehr den haggadischen Ausschmückungen als ihren Urbildern1; die neutestamentlichen sind ganz legendenhaft und haben einige Ähnlichkeit mit den Berichten der apokryphen Evangelien,
1 Über das einzelne vgl. Geiger a. a. O.
z. B. Sura 3 41 43 19 17 mit Evang. Infant. cp. I, Evang. Thom. ep. 2. Nativ. Mar. cp. 9. Die einzige, ganz kurze Stelle, welche im Qoran wörtlich aus dem Alten Testament zitiert wird, steht Sur. 21, l05: "Und wir haben in den Psalmen geschrieben, daß die Gerechten die Erde ererben sollen", vgl. Psalm 37, 29.
Indessen Sur. 61,6, wo Jesus verheisst, daß nach ihm Gott einen Prediger senden werde, dessen Name Ahmad1 sei geht unmittelbar auf keine Stelle des Neuen Testaments zurück.
1 Muhammed bezog dies nach der wahrscheinlichsten
Vermutung auf sich, und nannte deshalb, mit Anspielung auf seinen Namen ,
der Verheissenen Vgl. Ibn Sa'd ed. I, 1 p.64 f. Man hat Sur. 6l,6
bekanntlich als Beweis dafür benutzt, daß Muhammed die Bibel gelesen habe. Der Einfall
Marracci's (Prodromi ad refutationem Alcorani I p. 27 u. Nota zu Sura 61, 6), er habe
für gelesen und dies durch
übersetzt, wodurch das Unerhörte bewiesen würde Muhammed habe Griechisch verstanden,
wird von Sprenger, Life 97 Anm. 1, Leben I, 158 und Muir I, 17 dahin modifiziert,
daß in einer zeitgenössischen arabischen Übersetzung des Johannesevangeliums
durch wiedergegeben gewesen
sei. Aber auch das ist falsch. Denn eine solche Textverderbnis ist durch nichts
zu erklären, wie sie auch weder in syrischer noch arabischer noch arabischer Überlieferung
nachgewiesen werden kann. Vielmehr drücken die verschiedenen Formen des Namens Paraklet,
die wir bei Muslimen finden, alle ziemlich genau , mit oder ohne
des aramäischen stat emphat. aus (Mar. 1. c., Sahrastani I. 167. His. 150).
Wenn His. a. a. 0., auf Grund von Ev. Joh. 15,26 auch noch als
Namen Muhammeds anführt, so ist das die im Dialekte des christlich-palastinischen
Aramäisch übliche (vgl Schwally, Idiotikon) Übersetzung von m'nahmana,
welches er, bloss durch den äussern Klang geleitet, irrtümlich mit
in Verbindung bringt. In Talmud und Midrasch ist Name des jüdischen
Messias nicht selten, vgl. Levy, Neuhebr. Wörterbuch III. 153; Gust. Rösch, ZDMG. 46, S.439.
Auch der Religionsstifter Mani bezeichnete sich als Paraklet, vgl. Flügel, Mani,
S. 51.64. 162f.; Euseb. Hist eccl VII. 31; Efrem ed. Rom. II, 487. Es werden übrigens
noch andere aramäische Namen für den Propheten angeführt, z. B. d. I.
wie d. i. (vgl. Hamis 1, 206
und I. Goldziher, ZDMG. 32, 374). Jene Hypothese über Ahmad hat dann Sprenger,
Leben I, S.155-162 dahin erweitert, daß auch Muhammad nicht der eigentliche Name
des Propheten sei, sondern ein Beiname, den er erst in Medina angenommen habe, um sich,
in Anlehnung an jüdischen Sprachgebrauch und Glauben, als der von den Propheten verheissene,
"ersehnte" Messias zu bezeichnen. Aber alle
Die Frage nach Gestalt und Umfang der bei den arabischen Juden und Christen damaliger Zeit vorhandenen religiösen Literatur ist sehr schwer zu beantworten. Gewiss waren die arabischen Christen, die übrigens lange nicht so zahlreich waren, wie Sprenger meint, zum grussten Teil höchst oberflächlich bekehrt. So soll der Chalif 'Ali über einen der Stämme, unter denen das Christentum noch die festesten Wurzeln geschlagen hatte, gesagt haben: "Die Taghlib sind keine Christen und haben aus dem Christentum nur des Weintrinken genommen"1. Aber überall wo die Missionare der beiden Buchreligionen hinkamen, müssen sie - das ist gar nicht anders denkbar - irgendwelche religiöse Literatur mitgebracht haben, je nachdem in hebräischer. aramäischer.
Gründe, mit denen Spr. selbst und nach ihm Hartwig-Hirschfeld, New Researches into the
Composition and Exegesis of the Qoran, London 1902, S. 23f. 139, Fr. Bethge, Rahman
et Ahmad Bonn 1876. S. 53f. und Leone Caetani, Annali del 'Islam, Milano, 1905, I, 151,
diese Ansicht gestützt haben, sind hinfällig. Denn: 1) ln der gesamten alten historischen
Tradition und in unzweifelhaft echten Urkunden wie der Gemeindeordnung von Medina
(His. 341 ff.), dem Vertrag von Hudaibiya (His. 747), der diplomatischen Korrespondenz
mit den arabischen Stämmen (Wellhausen, Skizzen IV) und schliesslich dem Qoran, erscheint
Muhammad immer als eigentlicher Name des Propheteten. 2) Wäre der Name ursprünglich ein
Epitheton, so würde die Tatsache, daß er nicht ein nicht ein einziges Mal mit dem Artikel
vorkommt, unverständlich sein trotz Sprenger III.31 n.2. 3) Der jüdische Messias hat
niemals einen von dem Verb "ersehnen" abgeleiteten Namen gehabt
die messianische Deutung von Stellen wie Haggai II, 7; Cantic. II.3 ist aus der Luft
gegriffen. 4) Muhammad war schon vor dem Islam in Arabien ein gebräuchlicher Mannsname.
Ibn Sad ed. I,1 p.111f. Ibn Qutaiba ad Wüstenf. P. 276 ii. Ibn Rostch. Bibl. Geogr.
arab. VII, p. 194 führen 3 Personen dieses Namens an. Ibn Duraid ed. Wüstenf. p. 6f. fünf,
mit dem Zusatz, daß er in einem anderen Werke, namens deren
15 beigebracht habe. Er ist nicht der leiseste Grund vorhanden diesen Angaben zu
misstrauen. Denn was in aller Welt sollte das Motiv der Fälschung gewesen sein?
Der Name auf einer griechischen Inschrift aus Palmyra. A. 425 Seleue. =
114 115; a. D. (Corpus inscript. Graec. Vol. III (Berolini 1853 No. 4500 ist übrigens
) gleichzusetzen, wie der aramäische Text auch de Vogüe 124 wirklich hat.
1 Tab. Zam. Und B zu Sure 5.
äthiopischer und hier und da wohl auch in griechischer Sprache. Den Rabbinern und Klerikern erwuchs hieraus die Aufgabe, die fremden Gebete, Liturgien, Hymnen und Homilien arabisch zu verdolmetschen. Während sie sich für etwaige eigene theologische Schriftstellerei wohl niemals des Arabischen bedienten, Wie wir z. B. noch jetzt syrische Schriften alter arabischer Kleriker besitzen, ist es doch denkbar, daß mall schon in vorislamischer Zeit angefangen hat, jene mündlichen Targume schriftlich zu fixieren. Da nämlich im Zeitalter Muhammeds die Schreibkunst den Mekkanern und Medinensern nichts weniger als unbekannt (vgl. unten S.15f), und es, wie es scheint, bereits herkömmlich war, wichtige Korrespondenzen (z. B. Muhammeds mit den Beduinen) und Verträge (Hudaibiya, Gemeindeordnung von Medina) niederzuschreiben, so liegt die Annahme nahe, daß die arabische Schrift auch schon zur Fixierung der künstlerischen Erzeugnisse von Dichtern, Sängern und Erzählern verwandt wurde. Die Literatur geht von der Gelegenheitsschriftstellerei aus. Fliegende Blätter mit Ruhmesliedern, Spottgedichten (vgl. I. Goldziher, Einleitung zu Hutei'a ZDMG. 46,18) usw. werden weite Verbreitung gefunden haben (Aghani 20, 24, 2,16; Hudail 3, 6; Mutalammis 2,2; Labid 47. 1; Aus b. Hagar 23,9 usw.). Dagegen ist von Sammlungen der Werke eines Autors aus vorislamischer Zeit nichts bekannt. Was nun das Verhältnis Muhammeds zum jüdischen und christlichen Schrifttume anbetrifft so ist es für unbedingt sicher zu halten, daß ihm schon allein aus Unkenntnis eines fremden Idioms nichts in den Originalsprachen zugänglich war. Die abergläubische Ängstlichkeit, mit der die Juden schon lange vor den Muslimen das beobachteten. wäre an sich kein unübersteigliches Hindernis gewesen, ganz davon abgesehen, daß sich diese Unantastbarkeit durch Andersgläubige doch nur auf die kanonischen Bücher bezog. Ob der Prophet aber imstande war, schriftliche Übersetzungen ins Arabische zu lesen und zu verstehen, das ist eine Frage, die sich weder vom Qoran noch von der Tradition aus ohne weiteres entscheiden läßt
Die Angaben der Muslime über diesen Punkt widersprechen sich geradezu; das schlimmste aber ist, daß es denen, welche es bejahen sowie denen welche es verneinen, weniger um die Wahrheit, als um gewisse domatische oder politische Sätze zu tun ist. Beide Parteien kämpfen hier mit der in den früheren Zeiten des Islam sehr beliebten Waffe tendenziös erfundener oder verdrehter Traditionen. Im allgemeinen sind die Sunniten mehr dagegen daß er lesen und schreiben konnte, die Schriten dafür1. Die letztern halten es nämlich für des Propheten, den sie ja als ansehen, unwürdig, daß ihm die ersten Anfangsgründe der Wissenschaft fremd gewesen sein sollten. Dazu kommt das Streben, den von 'Ali mit Mu'awiya geschlossenen, ihnen sehr anstößigen Vertrag durch das Beispiel des Propheten zu entschuldigen. Denn dieser soll bei Hudaibiya einen ähnlichen ertrag unterschrieben haben, indem er an die Stelle der von den Ungläubigen nicht geduldeten Worte eigenhändig geschrieben habe. Aber eine andere Version derselben Erzählung sagt nur, er habe auf Ali's Weigerung jene Worte selbst ausgestrichen, dann habe Ali die neuen dafür hingeschrieben. Andere endlich erzählen einfach. 'Ali habe die neuen Worte geschrieben, wie die alten.1 Wir können hier zu keinem Ergebnis über unsere Frage gelangen, besonders wenn wir bedenken, daß das Wort nicht bloss das eigenhändige Schreiben, sondern auch das Schreiben durch andere, d. h. das Diktieren, bedeuten kann. Denn es heisst gar oft in den bei Ibn Sa'd aufbewahrten Briefen Muhammeds wo nur vom Diktieren die Rede ist was
1 Spr. Life 101, Anm. 2; Leben II. 39S, wo er erwähnt, daß Muhammad b. Muhammad b. Nu'man (413) ein eignes Buch geschrieben hat, um zu beweisen, daß der Prophet des Schriebens kundig war.
2) Vgl. His. 747; Tabari I, 1546 Mubarrad. Kamil 540; Bh. Im : kit al-surat § 15 Muslim II 170f. (Q. VII, 415ff. kit. a1-gihad § 29 F. zu Sur. 48.25; Misk. 344; 347-353; 355 (bab al-sulh) Mawahib lad. bab bairat al-ridwan wo diese Frage weitläufing besprochen wird u.s.w.
oft noch durch die am Schluss hinzugesetzten Worte ausdrücklich angezeigt wird. So heisst es auch bei Ibn Hisam a. a. 0. gerade bei der Erzählung des Friedensvertrages , wo doch auch nur das mittelbare Schreiben am Platze ist. Die Einschiebung eines aus Irrtum oder aus Absicht wäre ebenso leicht zu erklären wie die anderweitige Entstellung dieser Tradition.
Ebensowenig beweist eine andere Überlieferung. Muhammed soll auf dem Sterbebette Rohr und Schreibtafel gefordert haben, um etwas niederzuschreiben, das die Muslime vor allem Irrtum bewahren würde1. Aber diese von Ibn 'Abbas ausgehende Tradition wird durch eine andere, die Tendenz unverhüllt darlegende, verdächtig gemacht, in welcher 'Aisa die Fabel erzählt, Muhammed habe damit den Abu Bekr schriftlich zu seinem Nachfolger ernennen wollen 2. Es ist daher ganz gewiss, daß man diese ganze, bei Ibn Hisam fehlende Tradition zur Verteidigung des Nachfolgerechtes Abu Bekrs geschmiedet hat; ware das aber auch nicht der Fall so könnten doch auch hier die Worte "auf daß ich schreibe" soviel bedeuten als "damit ich diktiere"; und wir hätten wieder keinen festen Boden.
Auch aus dem Qoran selbst erhalten wir über diesen Punkt keine Sicherheit, und zwar einerlei, welchen Standpunkt man hinsichtlich Qoran so häufigen Verbum speziell in der Stelle Sur. 96, 1,3 einnimmt. Heisst es schlechthin "vortragen, predigen", so ist das von vornherein irrelevant: heisst es aber "lesen" oder Gelesenes vortragen".
1 Bh. im bab maut al-nabi, Anhang zum kit. al-'ilm 40. Muslim II.78f. (Q. VII, 95f. § 4). Misk. 54o (548 vgl. Weil 329f.; Caussin III, 321.
2 Muslim II. 457 (Q. IX, 257 und danach Misk. fasl. I 3. Aber Ibn Sa'd I, IV .
so trägt auch diese Auffassung zur Aufhellung des Problems nichts bei, da es sich eben um himmlische Texte handelt zu deren Lektüre die Kenntnis keiner menschlichen Sprache noch Schrift befähigte, sondern einzig und allein die göttliche Erleuchtung.
Wir sehen also, die Gründe dafür, daß Muhammed lesen und schreiben konnte, sind sehr schwach. Wie steht es denn nun mit den Gründen, durch die man gewöhnlich das Gegenteil beweist? Der Hauptgrund ist hier der daß Muhammed Sur. 7, 156,158 genannt wird. Worte, welche fast bei allen Auslegern als "der des Lesens und Schreibens unkundige Prophet" erklärt werden. Wenn wir aber alle Qoranstellen, an denen vorkommt, genau vergleichen, so sehen wir, daß es überall im Gegensatz zu den steht, d. h. nicht den der Schreibkunst Mächtigen, sondern den Besitzern (resp. Kennern) der heiligen Schrift: Sur. 2, 73 heisst es sogar: auch unter den Juden gäbe es welche von der Schrift nur wenig verständen. Das Wor muss bei Muhammed daher den auch sonst oft hervorgehobenen. Umstand bezeichnen, daß er mit den alten heiligen Büchern nicht bekannt sei und die Wahrheit nur durch Inspiration kenne, bedeutet aber nicht den, der überhaupt nicht lesen und schreiben kann 1. Ferner sagt er Sur. 29, 47, er habe vor der Offenbarung des Qorans kein Buch gelesen; aber diese auch an und für sich nicht sehr bestimmten Worte kann der welcher behauptet, daß Muhammed dies doch getan habe, als ein Zeugnis in der eignen Sache verwerfen. Endlich wird behauptet, Muhammed habe bei der ersten Offenbarung dem Engel auf dem Befehl geantwortet 2 aber auch
1 Ummi ist abzuleiten von Umma, also .
Die Juden nennen das der Schrift und des Gesetzes unkundige oder nicht genügend kundige Volk 'am ha-ares Dir Etymologien, welche die Muslime von Ummi geben , können wir mit Stillschweigen übergehen. Cf. Fleischer, Kl. Schrift. II, 115ff.
2 Die Belegstellen sich S. 15 Anm. 2.
das hat keine grosse Bedeutung, da diese ganze Tradition zu sehr ausgeschmückt ist1, und da andere dafür haben oder oder "was soll ich denn lesen?"2
So haben wir denn auf beiden Seiten nur Scheingründe. Ebensowenig wert sind die Angaben, daß Muhammed zwar habe schreiben können, aber nur ein wenig und nicht gut. So sagt er in einer Gestalt der Tradition über die erste Offenbarung "er könne nicht gut lesen"3, und in jener Erzählung über den Vertrag von Hudaibiya sagen einige "er konnte zwar nicht gut schreiben, aber schieb doch 4. Beide Varianten geben sich eben zu deutlich als schwächliche Vermittlungsversuche eines unkritischen Kopfes zwischen den beiden entgegengesetzten Überlieferungen zu erkennen.
Indessen kann auch eine tendenziöse Tradition Wahres enthalten. Es ist doch bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich daß ein Mann, in dessen näherer Umgebung etwa ein halbes Hundert Leute - ich kenne allein aus Ibn Sa'd ed. III, II, Wellhausen Skizzen IV, 105 ff. und Beladori 471 ff. deren 44 - Schriftstücke lesen und abfassen konnten 4, nicht nur in seiner Eigenschaft als Händler von dieser Kunst so viel verstand, wie zum Notieren von Waren, Preisen und Namen
1 Dagegen ist Sprengers Auslegung, durch welche er die Beweiskraft dieser Worte aufheben will, indem er sagt "ich bin nicht lesend" bedeute nur "ich lese nicht", keineswegs "ich kann nicht lesen" (Life 95 Anm. Leben I, 332 n 2.) unstatthaft. Wie es His. 226, 14 und öfter in Traditionen heisst , wo nur vom Schreibenkönnen die Rede sein kann, so sind dem Sinne der Erzählung nach auch diese Wort, aufzufassen. Und so übersetzen sie die türkischen Mawah. ladun. richtig durch "non sum lector" (S.27).
2 Vgl. His. l52 und das Original Tabari's I,1150 (cf. Journ. As. Soc. Bengal XIX, 115). Andere verbinden beides, wie Tab. pers. und Itq. 53.
3 Weil, S.46 Anm. 50.
4 Bh. Misk. 347 (355 ) F. zu Sur. 48, 25 etwas nach der Mitte.
notwendig war, sondern sich vielleicht auch wegen seines Interesses für die heiligen Schriften der Juden und Christen noch mehr anzueignen gesucht hatte. Da wir aber von allen sichern Angaben verlassen sind, müssen wir uns mit den freilich sehr wichtigen Resultaten begnügen, 1) daß Muhammed selbst für einen des Schreibens und Lesens nicht Kundigen gelten wollte, weshalb er den Qoran und seine Briefe durch andere vorlesen liess1; 2) daß er auf keinen Fall die Bibel oder andere grosse Werke gelesen hat. Freilich will ihn Sprenger durchans zum Schriftgelehrten machen. So erklärt er es für gewiss2, daß Muhammed ein Buch über Dogmen und Legenden3 mit dem Titel gelesen habe. Mit Asatir al'auwalin4 (etwa = "die Fabeln der Alten") benannten die Quraischiten Muhammeds erbauliche, ihnen aber langweilige Erzählungen und Lehren gerade wie der Qoran selbst die 'Aditen des Propheten Hud Reden
1 Vgl. Waq. 202, 12 ff.
2 Life S. 99f. Leben Muh.s Berlin 1869 II. 390 glaubt er es nur noch. Dagegen wendet sich Weil. Mahomet savait-il lire et écrire? Atti d IV. congresso degli Orientalisti. Firenz 1878 (erschien l880.) I.S. 357.
3 Näheres über dessen Ursprung usw. siehe Life S. 99 Anm. 3. Leben Muh.s II, 390-397.
4 gilt als Plural von einem Singular oder (vgl.) Die Herkunft des Wortes ist nicht deutlich. Man könnte an syrisches "chirographum" - (mischn. ) oder sabäisches "Inschrift" denken, was zweifellos auf babylonisches sataru "schreiben" zurückgeht. Dasselbe gilt auch für arab. Linie Lineal, schreiben (Sur. 17,60. 52,2. 68,1. usw. auch sabäisch, (vergleiche das hebr. ebenfalls aus Babylon stammende , Bezeichnung eines Beamten und das nicht ganz sicher zu
deutende Hiob 38, 33). In einer bei Suyuti Itqan S. 311 mitgeteilten Tradition des Ibn 'Abbas wird Sure 17,60 und geradezu als himjarisch bezeichnet. Indessen ist mir die Herleitung von - nicht
der angeführten anderen Worte - aus Freytag im Lexikon: Sprenger, Journ. As. Soc. Bengal XX, 119), Leben Muh.s II Fleischer a.a.0. II,119) jetzt wahrscheinlichter. wie sie auch Th. Nöldeke selbst schon lange annimmt.
nennen läßt, worunter Sprenger von Rechts wegen auch den Namen eines Buchs suchen müßte. Es wäre aber gänzlich gegen die Art des sich nur auf seine eigenen Offenbarungen berufenden Propheten, ein allgemein gekanntes1 Buch zu benutzen, und nun gegen die Beschuldigung eine unnütze Verteidigung zu führen. Auch würde Muhammed, wenn er ein Buch meinte, wohl nicht gesagt haben, "dies ist nur As.", sondern "dies ist . Noch weniger Sinn hat es wenn Sprenger sogar die (Sur. 53, 37f.; 87, 19), d.h. die nach Muhammeds Auffassung dem Abraham, wie dem Moses, gegebenen Offenbarungen, für ein von jenem benutztes Buch erklärt.2 Er sollte also leichtsinnig seine eigenen Quellen aller Welt genaunt haben!
Wir müssen demnach dabei bleiben, Muhammed die Benutzung schriftlicher Quellen abzusprechen. Vielmehr erhielt er ohne Zweifel die wesentlichsten Stücke seiner Lehre durch mündliche Nachrichten von Juden und Christen. Der Qoran scheint auf diese Tatsache mit folgenden Worten anzuspielen: Sur. 25.5 Sur. 16, 105 Die Kommentare zur letzten Stelle verzeichnen mehrere Namen von Zeitgenossen des Propheten, welch hier gemeint sein sollen . Auf diese und andere Fündlein der Tradition ist aber nichts zu geben. Wenn in den Legenden, welche Muhammed mit einem syrischen Mönche Bahira oder Nestorios Verbindung bringen auch ein wahrer Kern steckt, so kann doch eine solche Begegnung
1 Das müßte dies Buch gewesen sein, da Asatir neun Mal im Qoran zu ganz verschiedenen Zeiten erwähnt werden.
2 Leben Muh.s II 367. Schon der Talmud ('Aboda Zara 14b) sagt, daß Abraham die Halacha gekannt und befolgt habe. Spätere schreiben ihm die Autorschaft des kabbalistischen Buches Yezira zu, oder wenigstens eins verschollenes liber de idolatria (Job. Alb. Fabricius, cod. pseudepigraph. Vet. Test. Hamburg 1722, I 400). Dagegen redet Epiphanius, Haer 1 cap. 8. nicht von Büchern (so Hamburger, Realency-klopädie s.v. sondern von acht Kindern (liberi) Abrahams.
gegnung kaum eine ausschlaggebende Bedeutung für seine Prophetie gehabt haben. Und mag Muhammed noch so oft nach Syrien gekommen sein - Hunderte seiner Landsleute machten ja jahraus jahrein diese Reise -: um die Offenbarungsreligionen kennen zu lernen, brauchte weder ein heidnischer Mekkaner nach Syrien oder Abessinien, noch ein syrischer oder abessinischer Christ nach Mekka zu kommen. Gar nicht weit davon gab es, wie oben S.7 gezeigt worden ist, Juden und Christen genug. So werden es zahlreiche und mannigfaltige Kanäle gewesen sein, durch welche Muhammed religiöse Kenntnisse zuflossen. Aber bei der enthusiastischen Gewißheit die er von seiner göttlichen Sendung besaß, konnte es für ihn nur eine wirkliche Quelle der Wahrheit geben: Allah und sein himmlisches Buch.
Zu den mündlichen Quellen fügt Sprenger noch den Zaid b. 'Amr b. Nufail, der nach einigen, leider von ganz islamischem Standpunkt aus gemodelten, Nachrichten1 längere Zeit vor Muhammeds Auftreten gegen den Götzendienst der Mekkaner geeifert hatte. Es ist wohl möglich, daß Muhammed durch diesen Mann, vielleicht zum ersten Male, Anregung zum Nachdenken über die Religion empfing; das einzelne ist uns jedoch nicht bekannt. Jedenfalls geht Sprenger2 viel zu weit, wenn er aus der uns überlieferten Gestalt von Zaid's Predigt, welche viel Ähnlichkeit mit dem Qoran hat, schließt. Muhammed habe "nicht bloß seine Lehren, sondern auch seine Ausdrücke" von jenem geborgt. Denn jene Predigt3 ) trägt so offenbar das Gepräge einer aus Qoranstellen zusammengesetzten Erdichtung eines Muslims, daß wir auf sie so wenig geben dürfen, wie auf die unechten Gedichte Zaid's, die bei Ibn Hisam und im Kitab al'aghani (III. 15-l7 vorkommen. Überhaupt wäre es höchst wunderbar. wenn nicht allein Muhammed
1 Siehe über ihn His. 145ff. Bh. Aghani III, 15-17; Ibn Qutaiba 29; Mas'udr I 136. Vgl. Spr Life 41ff. Leben I, 82-89,119-124; Caussin I. 323. Wir müssen immer bedenken, daß auf alle diese Nachrichten das Bestreben stark einwirkte, der Islam als eine alte, schon vor Muhammed vorhandene göttliche Lehre derzustellen.
2 Life S.95 und 98.
3 Life S. 41; Leben 1.121 f.
die Reden Zaid's auswendig gelernt und nachher wörtlich in den Qoran hineingesetzt, sondern auch daneben noch ein anderer dieselben Reden in ihrer Urgestalt auf die Nachwelt gebracht hätte.
M. Clément Huart1 schreibt sich das Verdienst zu, in gewissen Gedichten des Umayya b. abi '1-Salt eine neue Quelle des Qoran entdeckt zu haben. Aber fast alle Stellen, die er für seine Hypothese beibringt, stehen unter dem dringenden Verdachte, auf Grund des Qoran gemachte Fälschungen zu ein. Andere Anklänge erklären sich dadurch, daß Umayya wie Muhammed aus dem Borne jüdischer und christlicher Überlieferung schöpfte. Vgl. jetzt auch F. Schultheß in den Theodor Nöldeke gewidmeten "Orientalischen Studien", Grießen 1906 I 71ff.
Eine nicht unbedeutende Quelle für die Lehre Muhammeds war der alte Glaube seines Volkes. Kein Reformator kann sich von den Anschauungen, in denen er aufgewachsen ist, völlig lostrennen; so blieb auch bei dem Stifter des Islam mancher alte Aberglaube (z. B. über die Ginn), manche religiöse Anschauung ans der Zeit der haften. Anderes behielt er mehr oder weniger bewußt bei; die Gebräuche bei der Ka'ba und dem Hagg2 hatte er durch die - beiläufig bemerkt, den alten Arabern völlig unbekannte - Annahme von dem Abrahamischen Ursprung derselben seiner Lehre angepaßt. Manche alte arabische Sagen, wie die uns in geograpischem Namen und alten Gedichten noch vielfach in kurzen oder verkürzten Andeutungen bezeugten von 'Ad und Tamud
1 Journal Asiatique, Jahrg. 1904, S.125-167. Die Gedichte stehen in einem Werke des 5. Jahrhunderts, in dem von Huart selbst edierten und übersetzten "Livre de la Création et de l'Histoire des Motahhar ben Tahir al-Maqdisi (Publications de l'École des langues orientales vivantes, Paris 1899-1903.
2 R. Dozy, die Israeliten zu Mekka, ans dem Holländ. übersetzt Leipzig 1864 (VI, 196 S.), wollte beweisen, daß das mekkanische Heiligtum und Fest zur Zeit Davids von Israeliten, und zwar von dem Stamme Simeon (nach ihm = Ismaeliten = Gorhum) gestiftet sei. Aber dieser Versuch ist völlig gescheitert, vgl. C. Snouck Hurgronje, Het Mekkaansche Feest, Leiden 1880; weiteres siehe unten zu Sur. 16 21.
vom usw., nahm er auf, änderte sie aber nach seinen jüdischen Prophetengeschichten gänzlich um, so daß wenig Ursprüngliches übrig blieb1.
Aus so verschiedenen Stoffen bildete sich in Muhammed die neue Religion2, welche die ganze Welt erschüttern sollte. Was er selbst positiv dazu tat, war unbedeutend gegen das Fremde bis auf die zweite Grundlehre des Islams (Sur 48, 29). Zwar erhalten im Qoran auch viele andere Gottesmänner der Vergangenheit (Noah, Israel, Lot, Jethro, Aaron, Jesus, Hud, Salih) dieses Prädikat, aber Muhammed stellt sich hoch über sie durch die Behauptung der abschließenden Bedeutung seiner Prophetie (Sura 33,40 )
1 Eine Schöpfung Muhammeds scheint z B. der Prophet Salih (die Traditionen über ihn zusammengestellt bei Sprenger, Leben I. 518-525.) zu sein, von dem wir sonst keine Spur antreffen.
2Während die allgemeinen Worte für "Religion" im Qoran (pers.) und (aramäisch) fremder Herkunft sind ist die spezielle Bezeichnung Islam (Sur. 3, 17, 79, 6, l25, 9, 75, 39, 23, 49, 17, 61,7) echt arabisch und wohl von Muhammed selbst für seine Religion geprägt. Neben dem absoluten Gebrauch (15 mal) des zugehörigen Verbum findet sich auch die Verbindung mit (4 mal oder mit (4 mal). Der Einfall von D. S. Margoliouth. der Name "Muslim" bezeichne ursprünglich einen Anhänger des Propheten Musailima Journ. Roy. Asiat. Soc., London 1903. S. 467ff.), ist sehr rasch von Charles J. Lyall (a.a.0., S. 771 ff.) widerlegt worden. Indessen ist aslama "hingeben" vielleicht alte Entlehnung aus dem Aramäischen Vgl. auch I. Goldziher in Jewish Encyclopaedia VI. 651b. Art. Islam.
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